Best-Practice: Wie funktioniert Sustainability-linked Finanzierung in der Praxis?

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Ein Best-Practice-Beispiel eines ABF Kunden aus der Kunststoffverarbeitungsindustrie

Die almaak International GmbH gilt als etablierter Anbieter im Bereich der Kunststoffverarbeitung. Das Unternehmen entwickelt Standard-, technische, elektrisch leitfähige Compounds sowie fein gemahlene Polymere und beliefert die Automobil-, Elektro- und Haushaltsgeräteindustrie weltweit. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Verkauf von Compound-Produkten höchster Qualität, die nahezu ausschließlich aus recycelten Kunststoffabfällen innerhalb der Primärproduktion produziert werden. Als etabliertes mittelständisches Unternehmen erwirtschaftet almaak rund 70 Mio. EUR Jahresumsatz und beschäftigt mehr als 180 Mitarbeiter.

Die Finanzierungsanfrage

Unser Kunde hat seit der Übernahme des Betriebs im Jahr 2008 ein beträchtliches Wachstum erzielt. Die Kapazitäten wurden schrittweise ausgebaut, größtenteils aus Eigenmitteln finanziert. Um das schnelle Wachstum mit einer angemessenen Betriebsmittelfazilität zu begleiten und zu unterstützen, wurden überwiegend externe Finanzierungen mit kurzer bis mittlerer Laufzeit aufgenommen. Das Jahr 2020 war geprägt von Konsolidierung und verstärkten Bemühungen, einen passenden Equipment Finanzierer zu finden, um langfristige Finanzierungen des Anlagevermögens besser in den Finanzierungsmix zu integrieren. Konkret benötigte unser Kunde:

  • Refinanzierungslösung für bestehende Produktionsanlagen mit einem Finanzierungsvolumen i.H.v. 4 Mio. EUR

  • Begleitung von CapEx-Finanzierungsbedarf von 2 - 2,5 Mio. EUR

Nachhaltigkeit im Unternehmen

Während der Gespräche und der Due Diligence Prüfung mit unserem Kunden stellte sich heraus, dass dieser großen Wert auf seinen eigenen nachhaltigen Fußabdruck legt. Zudem nimmt das Thema Nachhaltigkeit als Teil der Lieferkette seiner Abnehmer eine zunehmende Bedeutung ein. Das Unternehmen verfügte bereits über Öko-Zertifizierungen sowie eine Energie-Zertifizierung am Produktionsstandort mit starkem Fokus auf die Erzielung von Energieeinspareffekten. Jedoch wird die eigene "grüne" Wahrnehmung als Recycler von Sekundärmaterialien trotz Herstellung hochwertiger Compound-Produkte mit einer deutlich besseren THG-Emissionsbilanz im Vergleich zu Primärmaterialien von Stakeholdern nicht immer ausreichend gewürdigt. Die Geschäftsführung ist davon überzeugt, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die eigene soziale Verantwortung ("CSR") zu einer „grüneren“ Wahrnehmung und einem Wettbewerbsvorteil führen kann. Daher eignete sich der Kunde speziell für eine unserer nachhaltigen Finanzierungslösungen.

Prüfung und Bereitstellung der passenden nachhaltigen Finanzierungslösung

Nach der Definition der EU-Taxonomie - des führenden EU-Rahmenwerks für die Definition von "nachhaltigem Wirtschaften" - gilt der Betrieb unseres Kunden (Hersteller von Sekundärkunststoffverbindungen) nicht als "nachhaltig" im eigentlichen Sinne. Darüber hinaus sind sowohl die bestehenden als auch die zukünftigen Investitionsgüter nicht als "nachhaltige" Investitionen und Projekte im Sinne der EU-Taxonomie einzustufen. Da die EU-Taxonomie zusammen mit verschiedenen anderen Rahmenwerken das Rückgrat des europäischen Sustainable Finance Frameworks bildet, ist die Anfrage des Kunden nicht geeignet, als Sustainable Finance Transaktion im engeren Sinn eingestuft zu werden.

Um eine passende Alternative zu finden, standen wir unserem Kunden daher mit unserer Expertise als Sparringspartner zur Seite. Dabei kam unser Rahmenwerk („Sustainable Acceleration Standard“) zur Anwendung, das wir als ABN AMRO geschaffen haben. Mithilfe des „Sustainable Acceleration Standard“ können wir die Transformation unserer Kunden zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen begleiten und vorantreiben. Nach Prüfung der Kriterien unseres Rahmenwerks konnten wir schließlich eine Sustainability-linked Finanzierungslösung anbieten. Bei dieser Art der Finanzierung wird die Zinsmarge entweder an die unternehmenseigenen Nachhaltigkeits-KPI’s des Kunden oder an externe ESG-Benchmarks zur Bewertung des Kunden gekoppelt.

Prüfkriterien „Sustainable Acceleration Standard“:

  • Verpflichtung zur Verbesserung des unternehmenseigenen ökologischen Fußabdrucks

  • Fähigkeit zur einheitlichen Messung und Berichterstattung von definierten unternehmenseigenen Umwelt-, Sozial- und Governance-KPIs ("ESG")

  • Bereitschaft, CSR-bezogene Unternehmensziele mit Zielvorgaben aus unserer Asset-basierten Finanzierung zu synchronisieren

Nach Vorstellung unseres Ansatzes und Analyse des vorhandenen ESG-Ratings der almaak International GmbH durch den Anbieter EcoVadis[1], entschieden wir uns gemeinsam mit der Geschäftsleitung zur Einbindung des ESG-Ratings in unsere Finanzierungsstruktur.

1. Definition der relevantesten ESG-Themen anhand einer Materialitäts-Matrix

Ein Schlüsselelement unserer Expertise im Bereich Sustainable Finance ist das Verständnis des individuellen Fußabdruckes eines Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit. Dieser wird regelmäßig in einer Materialitätsmatrix analysiert, die aufzeigt, welche Nachhaltigkeitsaspekte für das Unternehmen und dessen Stakeholder am relevantesten sind.

Abbildung 1: ESG-Materialitäts-Matrix im Bereich Kunststoffproduktion (entwickelt von ABN AMRO Asset Based Finance N.V.)

Als Ausgangspunkt führten wir gemeinsam mit unserem Kunden eine Diskussion über die bereits vorhandenen ESG-Ziele und analysierten zukünftige Fokusbereiche um diese anschließend mit unserer eigens entwickelten sektorspezifischen ESG-Materialitäts-Matrix abzugleichen. Hierbei lassen sich sowohl Entwicklungspotentiale als auch Erfolgsfaktoren des Unternehmens gegenüber Wettbewerbern ermitteln. Folgende vier Fokusbereiche, konnten wir dabei gemeinsam identifizieren:

  • (Geschäfts-)Ethik und Compliance

  • Energieeffizienz und Emissionsmanagement

  • Abfallverwertung

  • Arbeitssicherheit und Mitarbeiterentwicklung

2. Definition der Nachhaltigkeitsziele anhand der ESG-Fokusthemen

Im nächsten Schritt erarbeiteten wir gemeinsam mit dem Kunden die konkreten Ziele innerhalb der identifizierten Fokusbereiche, die folgendermaßen aussahen:

  • Verbesserung der Geschäftsethik

  • Optimierung der CO2-Produktivität im Produktionsprozess des meistverkauften Produktes (gemessen am Umsatz)

  • Reduzierung von Kunststoffabfällen, die in die Umwelt gelangen (=> nicht recyclebar)

  • Verbesserung des Bewusstseins für Gesundheits- und Sicherheitsstandards

3. Festlegung der relevanten Messgrößen zur Integration in die Finanzierungsstruktur

Bei der Integration von ESG-Benchmarks müssen die definierten Nachhaltigkeitsziele innerhalb der Fokusbereiche aussagekräftig, einheitlich messbar, vom Unternehmen beeinflussbar (=> "control your own destiny") und im ausgewogenen Maße ambitioniert sein.

Das EcoVadis ESG-Rating setzt sich aus 4 Kernbereichen[2] zusammen, welche jeweils mit einem Sub-Score bewertet werden und ein Gesamtscore ergeben. Je nach Sektor-Zugehörigkeit des Unternehmens wird eine Gewichtung der Kernbereiche vorgenommen. Dies erfolgt analog der Identifizierung der Fokusbereiche anhand der sektorspezifischen ESG-Materialitäts-Matrix.

Anschließend findet eine Einstufung der Unternehmensperformance unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße im Vergleich zu anderen Unternehmen innerhalb des gleichen Sektors statt (Benchmarking). Gemäß ESG Rating, war almaak besonders im Kernbereich „Umwelt“ (Energieverbrauch, THG Emission, Wasser Verbrauch, Umweltverschmutzung etc.) bereits sehr gut aufgestellt, wodurch hier wenig Verbesserungsspielraum im Rahmen der eigenen Möglichkeiten besteht. Demgegenüber bestanden beispielsweise im Bereich „nachhaltige Beschaffung“ weitere Verbesserungsmöglichkeiten. Im Austausch mit der Geschäftsleitung wurden für jeden der 4 Kernbereiche sowie für den Gesamtscore (demnach 5) Zielgrößen zur Einbeziehung in die Finanzierungsstruktur definiert.

4. Praktische Einbeziehung der KPIs in das Finanzierungsangebot

Um das Finanzierungsangebot an die vereinbarten Zielgrößen innerhalb des ESG-Ratings zu koppeln, legten wir im nächsten Schritt nun die Anpassungsgrößen zur Zinsmarge für die Sustainability-linked Finanzierung fest. Beide Parteien einigten sich auf eine Basismarge, die nicht von der kommerziellen Vereinbarung innerhalb einer gewöhnlichen Finanzierungsvereinbarung abweicht. Der Unterschied besteht darin, dass sich beide Parteien auf ein ESG-Margenraster einigen, das sich an der Zielerreichung der festgelegten Zielgrößen orientiert.

Für diese Transaktion sah dies wie folgt aus:

Zielgrößen erreicht

Margenanpassung

5

 - 30 bps

4

 - 15 bps

3

Neutral

1,2

 + 15 bps

0

 + 30 bps

5. Messung und Berichterstattung der Nachhaltigkeits-Benchmarks

Die Performance wird jährlich mittels Update des ESG-Ratings durch EcoVadis überprüft, wobei eine Anpassung der Marge jeweils für das darauffolgende Jahr seine Gültigkeit behält. Eine Kündigungsmöglichkeit aus Nichterfüllung der Zielgrößen oder Nichterfüllung der Reporting Pflichten ist bei diesem Produkt nicht marktüblich, sondern führt zum vereinbarten Aufschlag gemäß Margenraster.

Fazit:

Die Sustainability-linked Finanzierung ermöglichte unserem Kunden, seinen Transformationsprozess hin zu nachhaltigerem Wirtschaften, auch ohne konkret definierte nachhaltige Investitionsvorhaben weiter voranzutreiben. Die Finanzierung unterstreicht das Bekenntnis und die Ambition unseres Kunden zur Verbesserung des eigenen Nachhaltigkeitsprofils und stellt somit seine unternehmenseigene CSR-Strategie in den Mittelpunkt. Davon können nicht nur unser Kunde, sondern auch seine Stakeholder langfristig profitieren.

Die Auswahl eines maßgeschneiderten Sustainability-linked Finanzierungsmodells, die damit verbundene Komplexität, das Prozessmanagement sowie die Beratung des Kunden erfordern Know-how und Expertise. Die Wahl des richtigen Finanzierungspartners ist daher entscheidend. Wir als ABN AMRO sind in der Lage, eine Expertenmeinung darüber abzugeben, wie wir die Ambitionen unserer Kunden in Bezug auf Nachhaltigkeit bewerten. Aufgrund unseres internationalen Corporate Banking-Hintergrunds innerhalb der ABN AMRO können wir auf eine erhebliche Menge an Kundendaten zurückzugreifen, auch zu ESG-Kriterien. Auf diese Weise agieren wir nicht nur als Feedbackgeber, sondern auch als nachhaltiger Finanzierungsberater an der Seite unserer Kunden.

Haben Sie weitere Fragen zu Sustainability-linked Finanzierungen und wünschen eine Beratung? Dann kontaktieren Sie uns via E-Mail: info@de.abnamro.com, Telefon 0221-88887-0 oder Kontaktformular.

 

[1] See https://ecovadis.com/; EcoVadis is ein führender Anbieter von ESG-Ratings, der laut eigenen Angaben weltweits bereits mehr als 75.000 Unternehmen bewertet hat.

[2] Kernbereiche: „Umwelt“, „Arbeits- und Menschenrechte“, Ethik“ und „Nachhaltige Beschaffung“